德语助手 Ich stimme Inhen völlig zu. 是什么意思

Friedrich-Rochlitz-Preis für Kunstkritik 2015
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500 Euro für den besten Text: Das Online-Feuilleton
lobt zum neunten Mal den Friedrich-Rochlitz-Preis für Kunstkritik aus. Einsendeschluss ist der 7. November 2015. Wir freuen uns auf Kritiken
aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
Der Schreibwettbewerb Friedrich-Rochlitz-Preis für Kunstkritik richtet sich an ein junges Kulturpublikum (nur nicht-professionelle AutorInnen). Eingereicht werden
dürfen Rezensionen über Kulturveranstaltungen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Gegenstand der Rezension k?nnen beispielsweise Konzerte,
Theateraufführungen, Lesungen, Kinovorführungen und Ausstellungen sein.
Der erste Platz ist mit einem Preisgeld von 500 Euro dotiert, gestiftet von , dem unabh?ngigen Verlag für E-Books, H?rbücher und H?rspiele in Leipzig. Die Pl?tze zwei und drei werden mit Freikarten pr?miert. Die
Gewinnertexte kürt eine Fachjury. Nach der Preisverleihung werden hier auf der Seite und im Online-Feuilleton Leipzig-Almanach
die drei Besten
Rezensionen ver?ffentlicht.
Der Friedrich-Rochlitz-Preis für Kunstkritik erinnert an den Leipziger Publizisten und Musikkritiker
(), der mit der Gründung der
Allgemeinen Musikalischen Zeitung Komponisten wie Mozart und Beethoven zur Berühmtheit verhalf. Wir laden das Publikum ein, sich – in der Tradition des ersten
Musikschriftstellers Friedrich Rochlitz – literarisch mit dem Kulturleben der Region zu befassen.
Die ?ffentliche Preisverleihung mit musikalischem Rahmenprogramm findet am 22.November 2015 um 11 Uhr im Luru Kino auf dem Spinnerei-Gel?nde statt.
Teilnahmebedingungen
Bewerben k?nnen sich alle Einwohner/innen Sachsens, Sachsen-Anhalts und Thüringens bis einschliesslich 35 Jahre, die nicht hauptberuflich als Autor/innen
Die Rezension muss sich auf eine Kulturveranstaltung beziehen, die im Jahr 2014 oder 2015 in einem der drei Bundesl?nder stattgefunden hat.
Pro Teilnehmer/in darf nur ein Text eingesendet werden.
Der eingereichte Text muss unver?ffentlicht sein.
Die Kunstkritik sollte maximal 2 Seiten umfassen (Schrift: Arial 11 / Zeilenabstand: 1,5).
Einsendungen per E-Mail unter Angabe von Alter, Telefonnummer und Anschrift an rochlitz (at) leipzig-almanach.de. (Die Daten werden nur zu
diesem Zweck verwendet.)
Einsendeschluss ist der 7.November 2015.
Seit 2009 organisieren Juliette Kaiser und Katharina Emde den Preis für den Verein. Seit 2015 verst?rkt Maria Schendzielorz das Organisationsteam. Ausserdem neu dabei
ist Benjamin Oesen für das Webdesign und Benedikt Demmer als neuer Grafiker.
Die Jurys:
2015 Swantje N?lke (Theaterp?dagogin ), Katrin Greiner (Referatsleiterin Kommunikation/Presse/Kunstvermittlung ), Mirko Wenig (Lehrender am )
2013 Robert Schimke (), Franciska Zólyom (), Dirk Steiner () und Jan Torke (Agentur für Kommunikation und Ereignisse)
2012 Robert Schimke (ehem. beim ), Franciska Zólyom (), Dirk Steiner () und Jan Torke (ehem. bei )
2011 Annegret Richter (), Robert Schimke (), Anne Eichhorn (), Dirk Steiner () und Jan Torke ()
2010 Johanna Lemke (), André Hille () und Tobias Prüwer ()
2009 Claudia Euen (), Chistoph Gurk (), Friederike Haupt () und Claudius Niessen ()
Barbara Schnalzger &Familienspuren im Dazwischen&
Friedrich-Rochlitz-Preis für Kunstkritik 2013, 1. Platz: Rezension über eine Lesung mit der ehemaligen Grünen-Politikerin Jutta Schwerin, die ihre Autobiografie ,,Ricardas Tochter“ vorgestellt hat
Ein bequemer Sessel, Tisch und Leselampe stehen bereit für Jutta Schwerins Lesung aus ihrem Buch ,,Ricardas Tochter. Leben zwischen Deutschland und Israel“. Doch Jutta liest im Stehen, damit ,,alle mich verstehen k?nnen“ im übervollen Raum des Casablanca e.V. in Leipzig-Lindenau. Das Mikrophon versagt kurz vor der Veranstaltung den Dienst – dennoch: Jutta Schwerins Bericht l?sst das Auditorium verstummen. Kaum ein Husten, Stühleknarren oder Gl?serklirren st?rt die Stimme der Frau, die ihre eigene Geschichte und notwenig damit zusammenh?ngend die Geschichte ihrer Mutter Ricarda erz?hlt. Die Moderatorin des Abends versucht behutsam, die ?ltere Dame in den Abend zu führen, gibt eine kurzen, respektvollen Einblick in Jutta Schwerins Leben als Ausgangspunkt der Lesung. Jutta ist das zu zaghaft, zu h?flich und zu f?rmlich. Sie bricht kurzerhand mit Schicklichkeit und Generationsgrenzen, schlüpft aus ihren Schuhen, stellt sich hin und liest.
Sie beginnt ihre Lesung im Jahr 1932, als ihre Eltern Heinz und Ricarda, beide Kommunisten, er Jude, unter Mitwirkung Mies van der Rohes und Wassily Kandinskys ihr Studium am Bauhaus in Dessau abbrechen müssen. Nüchtern wirkt die Schilderung der Odyssee ihrer Eltern von Dessau über Frankfurt am Main nach Prag und letztlich nach Tel Aviv im Jahre 1935: ,,Heinz und Ricarda waren keine Zionisten, sie wollten eigentlich nicht nach Pal?stina. Einen anderen Ort hatten sie aber nicht.“ Schon in diesen frühen Stationen des Buches deutet sich die intensive und konfliktreiche Auseinandersetzung mit ihrer Mutter Ricarda an: feingliedrig beschreibt Jutta die Gefühle ihrer Mutter bei der Ankunft in Tel Aviv, bei ihrer Suche nach einem Ort, an dem es sich besser Leben l?sst als in der heissen Grossstadt, den Stolz Ricardas auf die Werkstatt für Holzspielzeug, die die Eltern zusammen in Jerusalem er?ffnen und ihren Mut und die Kraft, als sie nach Heinz Tod 1948 ihre fünfk?pfige Familie allein versorgen muss. Ricarda will sich Zeit ihres Lebens nicht integrieren, lernt kein hebr?isch und erzieht ihre Kinder antinational, antimilit?risch und atheistisch. Früh deutet sich bei Jutta, die 1941 in Jerusalem geboren ist, ihre starke und eigensinnige Pers?nlichkeit an. Den Wechsel vom Handarbeits- zum Werkunterricht boxt sie auf eigene Faust und mit der Unterstützung ihrer Mutter durch. Erstaunte und bewundernde Lacher im Publikum, als Jutta schildert, wie sie damals als 17-j?hrige Premierminister David Ben-Gurion h?chstpers?nlich trifft, da sie den Milit?rdienst verweigern will. Wie sie sich mit Briefen an Politiker wendet, deren politische Einstellung sie falsch findet. Wie sie entscheidet, in ein Kibbuz zu gehen. Wie sie entscheidet, in Deutschland zu leben.
Jutta Schwerin setzt sich kurz, nimmt einen Schluck Wasser. Als Zuh?rende will man in diesem Moment eigentlich nur eines: mehr erfahren. Jutta kehrt in ihre Leseposition zurück: ,,1960 verliess ich Israel.“ Der zweite Teil des Buches spielt in Deutschland, wo die junge Frau Architektur studiert und ihre politischen Aktivit?ten als Mitglied des SDS fortsetzt. Die Moderatorin übernimmt an dieser Stelle und liest die n?chste Textpassage. Das ist fast erleichternd, die neue Stimme ist weniger nüchtern, weniger abgekl?rt. Inhaltlich erleichtert nichts. Jutta lebt erst in Stuttgart, dann in Ulm, in einem Land, in das sie "unüberlegt, fast aus Versehen" gegangen ist. In einem Land, in dem sich die Zimmersuche als schwierig erweist: In einem der angebotenen Zimmer h?ngt das Bild eines Kriegsgefallenen mit Hakenkreuz und Reichsadler. Wir Zuh?renden sch?men uns in Grund und Boden. Bei einem anderen Angebot fragte die Vermieterin, ob sie denn ,,Halbjüdin“ sei? ,,Ich bin nichts Halbes. Ich bin jüdisch und nicht-jüdisch zugleich.“ Sie sagt auch diese Wohnung ab.
Jutta sieht auf, zu uns ins Publikum, schüttelt und lockert die Schultern, rückt die Brille zurecht und sagt, als ihr Blick zurück in den Text geht: ,,Ich blieb bei der Politik.“ Sie gründetin den 1970ern einen Kinderladen und eine Frauenzentrum mit, wird Stadtr?tin, dann Bundestagsabgeordnete für die Grünen. Ende der 1980er wird sie berühmt durch ihren Zwischenruf bei der Rede zum 50j?hrigen Gedenken an die Reichspogromnacht, ausserdem durch ihren Widerstand gegen die damalige Schwulen- und Lesbenpolitik. In einem Brief an den Bundestagspr?sidenten schreibt sie: "Wenn die Bezeichnungen 'schwul' und 'Lesbe' für den Bundestag nicht gut genug sind, wie ungemein schlecht muss es dann erst sein, als Schwuler oder Lesbe zu leben."
Jutta Schwerin l?sst uns Zuh?rende den Spuren einer Familie folgen, die im Dazwischen – zwischen dem erst lebensgef?hrlichen und dann schwarzbraunsumpfigen Deutschland und dem fremden, vor allem für Frauen alltagsharten Israel – einen Platz zum Leben suchen. Jutta bleibt in Deutschland, engagiert sich weiterhin politisch und feministisch und arbeitet bis 2008 als Architektin in Berlin.
In der Lesung begegnen uns viele Personen, die Jutta Schwerin bewundert. Wir erfahren eine in dieser kurzen Zeit kaum überschaubare Fülle an politischen und privaten Ereignissen aus dem Leben der nun grauhaarigen Frau. Auf eine Person kommt Jutta aber immer wieder zurück, auch am Ende der Lesung: Ricarda, ihre Mutter. Eine ,,unglückliche Liebesbeziehung“ habe Mutter und Tochter das ganze Leben verbunden, so Jutta. Auf der einen Seite steht die grosse Bewunderung für Ricarda, die selbstbestimmt und mutig für sich und ihre Kinder sorgte. Auf der anderen Seite steht das grosse Unverst?ndnis zwischen beiden Frauen, zum Beispiel, als Ricarda Juttas Scheidung von Ulrich Oesterle und ihre Entscheidung, fortan mit einer Frau zu leben, kommentiert: Eine "kaputte Familie" sei etwas ganz schlimmes.
Jutta Schwerin schliesst das Buch und setzt sich. Sie antwortet auf die nicht enden wollende Frageabfolge aus dem Publikum. Signiert Bücher. Beantwortet mehr Fragen. Als sie dann mit dem Taxi weggefahren ist, erscheint der menschenvolle Raum sehr leer.
Lesung mit Jutta Schwerin
aus ihrem Buch ,,Ricardas Tochter. Leben zwischen Deutschland und Israel“
Eine Veranstaltung des queer-feministischen Abends joseph_ine in Kooperation mit ,,outside
the box – Zeitschrift für feministische Gesellschaftskritik“ und der Buchhandlung drift.
21. November 2012, B?ckerei, Josephstrasse 12, Leipzig
Paula Franke &Luxus der Bescheidenheit&
Friedrich-Rochlitz-Preis für Kunstkritik 2013, 2. Platz: Rezension über eine Fotoausstellung im Grassi-Museum über das Künstlerpaar Lillian Bassman und Paul Himmel
Das Künstlerpaar Lillian Bassman und Paul Himmel hat in New York 71 Jahre lang zusammen gelebt und gearbeitet. Beide erschufen ein eigenes, beeindruckendes OEuvre. Lillian Bassman gilt als eine der wichtigsten Modefotografinnen des 20. Jahrhunderts und feierte vor allem in den 50er Jahren grosse Erfolge. Auch ihr Mann Paul Himmel fotografierte für Modemagazine, widmete sich dann jedoch massgeblich dokumentarischer, aber auch experimenteller Fotografie. Was kann es bedeuten, für die Fotografie zu leben? Das versucht die erste gemeinsameRetrospektive der beiden Künstler zu zeigen. ,,Zwei Leben für die Fotografie“ ist alsSonderausstellung im Grassi Museum für Angewandte Kunst Leipzig zu sehen.
Als Paar im gleichen Bereich zu arbeiten, mag gef?hrlich sein: Konkurrenz, Neid und symbiotische Abh?ngigkeit kann jedoch einem Pol von Inspiration, Ermutigung und Antrieb gegenüber stehen. Die Künstlerin Lillian Bassman stellt im Katalog zur Ausstellung eine verblüffend einfache Trennung zwischen dem gemeinsamen künstlerischen Schaffen fest: Ihr Werk sei eben feminin, das ihres Mannes viril. Im Grassi Museums zeigt die eine Wand Bassmans Werke, gegenüberliegend sind Paul Himmels Fotografien zu sehen. Der femininenSeite zugewandt, kann man filigrane Modefotografien entdecken. Nach einigen Anlaufschwierigkeitenkonnte Lillian Bassman in den 50er Jahren schliesslich Auftr?ge für bekannte Modemagazine wie Harper’s Bazar oder die Vogue an Land ziehen, für die sie bis in die 90er Jahre hinein arbeiten sollte. Durch eine besondere Technik erzeugte die Künstlerin eine Komposition aus Malerei und Fotografie. Ihre Schwarzweiss-Fotografien haben eine weiche Optik, wirken teilweise wie Kohlezeichnungen. Dieser fuzzy look kam durch Bearbeitung der Abzüge in der Dunkelkammer zustande. Mit Bleichmittel durchtr?nkte Gaze und Schw?mme wurden Bassman zum Werkzeug, um scharfe Konturen zu verwischen, Details genau herauszuarbeiten und der Fotografie schliesslich eine Stimmung zu verleihen, in dem das Aussehen des Models über die Mode hinaus seinen eigenen Stil, seine eigene Ausstrahlung finden sollte. Die Modefotografien sind ein sinnliches, wohltuendes Erlebnis. Die Bearbeitung der Bilder verwischt die Realit?t im wahrsten Sinne des Wortes. Dadurch entsteht eine fastunwirkliche Sch?nheit, zu derem surrealen Abbild das Model wird. Es ist diese besondere weibliche Eleganz, die Bassmans Bilder bet?rend macht: Schultern zurück, Kinn gehoben. Alles mit einer gewissen Leichtigkeit, in der Satinstoffe und Spitzenw?sche geradezu zelebriert werden.
Paul Himmels Werk gegenüber besticht durch eine Vielf?ltigkeit, welche für die Kuratoren ein Geschenk gewesen sein muss. Neben Fotografien seiner Reisen durch Osteuropa ist hier auch ein Projekt zu sehen, bei dem Himmel die Bewegung von Ballettt?nzern durch Langzeitbelichtung einzufangen versuchte. Ein interessantes Seherlebnis sind die verwischten Bewegungen der Pirouetten und Sprünge, die durch die lange Belichtung in weissen Schleiern hinter den T?nzern herwabern. Beeindruckend ist auch die Reihe Nudes, die, grossformatig abgezogen, nackte Frauensilouetten in extrem grobk?rniger, fast geisterhaft wirkender Unsch?rfe zeigt. Paul Himmel war mit diesen Experimenten seiner Zeit voraus und traf nicht so sehr wie seine Frau den Geist der Nachkriegskonsumwirtschaft. Lange blieben Teile seines Werks unbeachtet, einiges vernichtete Himmel im Laufe der Zeit. Gut, dass es hier nun die Beachtung finden kann, die es verdient. Und doch dominiert Lillian Bassman diese gemeinsame Retrospektive, was sicher ihrer klareren künstlerische Linie zuzuschreiben ist.
Die Werkschau verschafft durch ihre Vielfalt einen genauen ?berblick über das OEuvre der beiden Künstler und zeigt zugleich Fotografiegeschichte aus dem 20. Jahrhundert. Himmels Fotos von Massen eilender Manteltr?ger an der Grand Central Station, in denen er den Kontrast von Hast und Stillstand einzufangen versucht und Bassmans stolze Abbildungen eines immer selbstbewussteren Frauentypus’ sind treffsichere Zeitzeugnisse des New Yorks der 40er und 50er Jahre. Paul Himmels Solarisationsfotografien, die er nachtr?glich mit Farbe angereichert hat, erwecken einen fast futuristischen Eindruck und Bassmans erste Versuche in der Farbfotografie sind auf naive Art und Weise mutig.
Den Plan, die Besucherherzen endgültig für dieses fotografische Lebenswerk zu gewinnen, haben die Hamburger Kuratoren Woischnik und Taubhorn konsequent und bis ins letzte Detail verfolgt. Im zweiten Raum er?ffnet die Ausstellung einen sehr privaten, fast intimen Zugang zum Künstlerpaar. Hier sind die fotografischen Anf?nge zu sehen, die sich in einer künstlerischen Dokumentation des Familienlebens offenbaren. Die junge Lillian am Morgen nackt in den weissen Bettüchern, daneben der ebenso nackte Paul. Er lesend am Strand. Sie, schwanger im Nachthemd am Fenster der New Yorker Wohnung. Dann als Mutter, Gesicht an Gesicht mit den Kindern. Es scheint, als h?tten die Beiden zun?chst das portraitiert, was sich als Zauber und intimes Eigenes aus ihrer pers?nlichsten Umgebung herausfiltern liess, um dann ihren Blick für das grosse Draussen zu weiten. Zwei Leben für die Fotografie.
Trotz ihres Alters sind Bassmans und Himmels Fotografien zeitgem?ss. Denn die Arbeit mit Verfremdung und Bearbeitung ist eine dem digitalen Zeitalter umso verst?ndlichere. Manchmal wünscht man sich beim Betrachten der Bilder regelrecht in das analoge Zeitalter zurück, um den so kinderleicht gewordenen Vorgang des Retuschierens wieder zum ehrlichen Handwerk erkl?ren zu k?nnen. Das mediale Element der Ausstellung, ein kurzer Dokumentarfilm, der das hoch betagte Künstlerpaar in seiner New Yorker Wohnung zeigt, ist zwar interessant, doch entzaubert er zu sehr. Schliesslich erz?hlen die Fotografien selbst ja auch schon viele der Lebensgeschichten. Ob Dokumentationen, Experimente oder Mode: Alle Bilder haben eine authentische und ehrliche Ausstrahlung, wirken trotz luxuri?ser Extravaganz bescheiden, beinahe zurückhaltend. Ihre Kunst hat das Künstlerpaar Bassman und Himmel reich werden lassen. Nicht nur materiell, sondern vielmehr auf inspirierende und produktive Art und Weise. Das tr?gt ihr Werk und verleiht dieser Ausstellung eine zeitlose Dringlichkeit.
Zwei Leben für die Fotografie
21. November 2012 – 3. M?rz 2013, Grassi Museum für Angewandte Kunst Leipzig
Katharina Schmidt &Der Teufel war dabei&
Friedrich-Rochlitz-Preis für Kunstkritik 2013, 3. Platz: Rezension über die Bühnen-Performance ,,How do you imagine the devil?“ von Dani Brown, in der sie ihr Publikum mit sich selbst konfrontiert
,,Tonight will never be repeated.“ Mit Nachdruck und bestimmt wiederholt Dani Brown diesen Satz noch einmal. Fast wirken ihre Worte wie eine Drohung, adressiert an das Publikum.
In High Heels, einem Hosenanzug und mit rot geschminkten Lippen betritt Dani Brown die Studiobühne. Bedacht geht sie die Bühne auf und ab und fixiert dabei die Zuschauenden. Sie schaut mir tief in die Augen. Ihre Abs?tze klacken am Boden mit jedem Schritt: ,,Good evening Ladys and Gentlemen. I'm very happy to be here tonight. I trained hard the last couple of months to show this performance.“ haucht Dani Brown in ein Mikrofon. Ihre rauchig, fast lasziv wirkende Stimme erfüllt den Raum und schafft Unbehagen. Ich kann ihr kaum in die Augen schauen, solch eine Dominanz übt sie auf mich aus. ,,Do whatever you want to do with me.“ fordert Dani Brown schliesslich uns, das Publikum, auf. Die Zuschauenden verstummen vollkommen. Eine Frau in der vordersten Reihe steht nach einer Weile auf und küsst Dani Brown. Ein vorsichtiger, zaghafter Kuss, der noch mehr Unbehagen in mir ausl?st. Absolute Stille im Raum. Wer ist diese Frau, die die Bühne betritt und in ihrer Hingabe dem Publikum gegenüber zugleich ein solches Dominanzgef?lle aufbaut?
,,How do you imagine the devil?“ ist Dani Browns erste Soloproduktion. Die junge, US-amerikanische Nachwuchskünstlerin zog es vor einigen Jahren nach Europa, wo sie 2005, nach ihrem Abschluss am Arnhemer College of Art (Niederlande), das Künstler_innenkollektiv Fingersix mitbegründete. Momentan ist sie in Hamburg ans?ssig. An diesem Abend, dem 26. April 2013 zeigt Dani Brown ihr Solo im Rahmen der Veranstaltungsreihe International Friday im Lofft, Leipzig.
Wer ist diese Frau? Die Frage dr?ngt sich umso mehr auf, als sie beginnt sich auszuziehen und den Hosenanzug gegen Turnschuhe und Trainingshose tauscht. Eine sportliche, junge Dani Brown hüpft da auf der Bühne: ,,Hey guys! It's just awesome being here with you tonight. I worked like hell for my show!“ Sie spricht mit einschl?gigem Südstaaten-Akzent und hat wohl schon viel erlebt in ihrem Leben. Was davon der Wahrheit entspricht, dass überl?sst sie dem Publikum.
Dani Brown wird an diesem Abend noch so einige Metamorphosen durchlaufen. Teils l?sst sie das Publikum Zeuge sein dieser metamorphen ?berg?nge von einer Person in eine andere. Dann wiederum verschwindet sie hinter der Bühne und zeigt sich unvermittelt in einem anderen ,Ich‘. An den Grenzen dieser vielen ,Ichs‘ kippt zugleich das vermeintlich Menschliche ihrer Pers?nlichkeiten ins Animalische. Sie verzerrt in diesen Momenten ihr Gesicht bis zur Unkenntlichkeit. Aus ihrem Mund sprudeln Laute, die nichts mehr bedeuten.
'Pure' lebendige Ausdruckskraft tritt zutage. Ihre Bewegungen erinnern von Zeit zu Zeit an die einer 'Untoten', wie sie in Zombie-Filmen choreografiert werden. Der K?rper wirkt zersplittert, Arme und Beine agieren losgel?st voneinander, der gesamte Rumpf b?umt sich auf. Im n?chsten Moment bringt Dani Brown dem Publikum fachlich fundiert die Besonderheiten des Lap Dance' n?her. Dieser bleibt jedoch meiner Imagination überlassen. Ich folge ihrer Einladung hinter den Vorhang nicht und bleibe auf meinem Stuhl sitzen.
,,How do you imagine the devil?“ - eine Performance der Extreme. Weder Dani Browns nackter K?rper noch ihre physischen Grenzerfahrungen, denen das Publikum beiwohnt, wirken extrem. Der Einsatz von Nacktheit ist l?ngst weit verbreitetes Stilmittel auf den Bühnen der freien Tanz- und Theaterszene. Nacktheit erregt keinen Anstoss mehr, zumindest solange der nackte K?rper gut durchtrainiert und entsprechend in Szene gesetzt ist.
Vielmehr als ihre Nacktheit, ist es die Art und Weise, in der Dani Brown ihr Publikum involviert: unberechenbar und erbarmungslos. Sie verführt das Publikum durch schlichtweg überzeugendes, theatralisches K?nnen. Eine erbarmungslose denn genussvolle Verführung, da ich ihre hingebungsvolle Nacktheit ertragen muss bzw. viel entscheidender mich in der Position der Voyeuristin. Es sind die eigenen Haltungen gegenüber der multiplen Dani Brown, die Unbehagen ausl?sen. Haltungen in die mich ihre verschiedenen Rollen auf der Bühne unnachgiebig dr?ngen. Um mich herum Stille, angespannte Stille. Wom?glich geht es den anderen auf der Publikumstribüne ?hnlich.
Es ist ihre erste Soloproduktion, in der Dani Brown das Format des Solos zugleich weit über seine Grenzen führt. Eine One-Woman-Show, die die eigenen physischen Grenzen und die Grenzen in der Beziehung zum Publikum stetig austestet. Die im Grunde das Solo als einen andauernden Dialog anlegt. Dabei muss ich gar nicht aktiv antworten. Die Antwort übernehmen wie von allein die verschiedenen Rollen, in die mich Dani Brown dr?ngt. In jedem Moment dieser Performance, mit jeder Bewegung und jedem neuen Satz schwingt zugleich der Subtext mit, wie weit Dani Brown heute Abend mit uns gehen kann. Es ist eine erbarmungslose Konfrontation mit mir selbst. Konfrontiert damit, verführt worden zu sein.
,,This is the end!“ schreit Dani Brown ins Publikum w?hrend sie die H?nde einer Zuschauerin fest packt. Nach diesem Schrei, Stille im Raum, die nur langsam durch zaghaftes Klatschen und schliesslich lauten Applaus durchbrochen wird. Auf Dani Browns Webseite ist ein Teaser der Soloproduktion ,,How do you imagine the devil?“ zu finden. Das Publikum dieses Zusammenschnitts lacht am Ende laut und gel?st. Eine vollkommen andere Atmosph?re als in Leipzig: ,,Tonight will never be repeated“.
How do you imagine the devil?
Solo-Performance von und mit Dani Brown
Veranstaltungsreihe International Friday
26. April 2013, Lofft, Leipzig
Tobias Ossyra &Rebellen, an die Posaunen!&
Extra Action Marching Band auf Europa-Tour: Die Blechblas-Guerilla wu?tet im UT Connewitz. Der Gewinnertext: 1. Platz beim 7. Friedrich- Rochlitz-Preis fu?r Kunstkritik 2012
Reisst nieder das Selbstversta?ndnis von Sitte und Anstand, in Stu?cke die aufgesetzte Moral und euch auf keinen Fall zusammen! So oder a?hnlich muss es Simon Cheffins, Kopf der extrovertierten Extra Action Marching Band, seinem Zwanzig-Ko?pfer aus blechblasenden, schlagwerkenden, Pompon schu?ttelnden und hu?ftschwingenden Kaliforniern fu?r die bevorstehende Bu?hnenshow eingebla?ut haben. Denn das, was das bedingungslos verru?ckte Oaklander Ensemble im geschichtstra?chtigen Kinosaal des UT Connewitz inszeniert, stellt die (heutzutage gut geschulten) Ego-Ausbru?che ga?ngiger Rock/Pop-Konzerte rotzfrech in den Schatten.
Keine drei Takte dauert es, bis ein Quintett blondperu?ckter Cheerleader in Glitzer-Tangas das Publikum nach vorn treibt, mit ihm auf Tuchfu?hlung geht – Umarmungen und Halsku?sse hier, Porno-Posen und ekstatische Anmachen dort – und in wilder Entschlossenheit zum Tanzen animiert. Posaunen und Trompeten knarzen Stakkato-Salven in den Saal, von Tuben umschlungene Su?dstaatler in kurzen Hosen und Zirkus-Westen schieben Humpa-Humpa-Basslinien darunter. Fu?nf Tieftrommler und Percussionisten pru?geln martialisch ihre Schlagfelle, schnelle Wirbel sind die taktfu?llende Maxime, irgendwo zwischen &Samba de Janeiro& und Safri-Duo. Aufbrausend, dynamisch, den Beat am Tempolimit, wechseln die Genres so schnell wie die T von typisch amerikanischen High-School-Hymnen u?ber New-Orleans-Nummern Marke Mardi Gras, hin zu Osteuropas bittersu?ssen Balkan-Melodien und – in der Tat – einer Coverversion von Black Sabbath' &Behind the Wall of Sleep&. Wu?rde Ozzy Osbourne jetzt auftauchen und, wie zu seinen besten Zeiten, einer Fledermaus den Kopf abbeissen, im turbulenten Chaos dieses Abends wa?re keiner der Ga?ste verwundert.
Neben allen klanglichen Reizen setzt der selbstbewusste Haufen auf Sex-Appeal a? la Rocky-Horror-Show. Die Glitzer-Girls ra?keln sich auf dem kalten Steinboden die Libido aus dem Leib (wenn sie nicht gerade einem Zuho?rer auf die Schultern springen) wa?hrend halbnackte Ma?nner in Hotpants im Hintergrund schwarz-rote Flaggen schwenken. In einem Bundesstaat, in dem die Porno-Industrie ja?hrlich mehrere Milliarden Dollar umsetzt, mag das zum guten Ton geho?ren, den anfa?nglichen Kulturschock muss aber selbst das Tumult gewohnte Connewitzer Publikum kurz verdauen, bevor es ihn geniessen kann. Die Extra Action Marching Band ist der personfizierte Punk, ein ungestu?mes Ungetu?m marschierender Rebellen auf Konfrontationskurs mit dem Normalen, Gesetzten, Biederen. Anarchie ohne Mittelfinger, denn Cheffins ironischer Gegenentwurf zur Gesellschaft wird anderweitig deutlich: verwischte Schminke entgegen scho?ner Fassaden, ausgelebte Tanzwut entgegen bu?rgerlicher Spiessigkeit, triebhafte Gesten entgegen verklemmter Gefu?hlsunterdru?ckung. Kritik als musikalische Spass-Botschaft, frivole Lebenlust, ansteckende Freude an der Exzentrik und zelebriertes Anders-Sein bilden das Manifest der kalifornischen Kapelle, die vor der erzwungenen A?sthetik des einhundert Jahre alten Portikus-Reliefs, vor den geradlinigen Pilastern und der geschwungenen Loge von Leipzigs a?ltestem erhaltenen Lichtspielhaus keinen krasseren Kontrast bilden ko?nnte. Ein Glu?ck, mag manch Besucher denken, dass im Union-Theater noch immer Putz von den Wa?nden bro?ckelt und der marode, kaputte Charme der Szene-Location die aberwitzige ku?nstlerische Darbietung letztlich in ein Gesamtbild fern herausgeputzter Oberfla?chen taucht.
Am Ende des 90-minu?tigen-Spektakels, dessen Hauptteil die Combo mit u?berschwa?nglichen aber liebevollen Verbru?derungsabsichten unterhalb der Bu?hnenkante verbracht hat, schenkt die Extra Action Marching Band den Konzertga?ngern noch ein Souvenir fu?r den Weg nach Hause: das gute Gefu?hl, seit langem etwas vo?llig Verru?cktes erlebt zu haben.
Extra Action Marching Band, Europa-Tour 2012
13. Juni 2012, UT Connewitz
Matthias Haft &Und was macht man damit?&
Ein Publikum betrachtet sich selbst: &Gehen Sie u?ber Los& auf der TheaterPACK-Sommerbu?hne im Westwerk – 2. Platz beim 7. Friedrich-Rochlitz-Preis fu?r Kunstkritik 2012
Drei Studentinnen stecken fest. Drei Lebensentwu?rfe zum Zeitpunkt ihrer akademischen Grundlegung, hier schon stottert die Maschine Mensch. Ob mit oder ohne Masterplan, von Tag zu Tag schlendernd oder hetzend, die Frage ist stets dieselbe: &Was bringt es mir, dieses Studium?& &Gehen Sie u?ber Los& von Aline Schluroff, Germanistikstudentin an der Universita?t Leipzig, ist ein Theaterstu?ck u?ber den immer wieder scheiternden Versuch, das Studium in irgend einer Weise fu?r das Leben nutzbar zu machen, es jenseits der jeweiligen inhaltlichen Fragestellung zu verstehen. Also: Was ist das Wesen des Studiums? Portra?tiert wird eine Generation, die sich in dem Versuch einer Sinngebung zerreibt.
Als gemeinschaftliche Seminararbeit fu?r die Tagung &Omnia vincit labor? Narrative der Arbeit und Arbeitskulturen in medialer Reflexion& entstanden, wurde das Stu?ck am 6. Juni 2012 auch auf der Sommerbu?hne des Westwerks aufgefu?hrt. Zwei Stu?hle, zwei Tische (darauf verteilt: Bu?cher und Ku?chengera?te), ein Sofa, utopische To-Do-Listen zieren die Wa?nde im Hintergrund: viel mehr braucht es nicht. Ein Bauzaun trennt die Bu?hne vom Parkplatz des Gela?ndes. Wa?hrend der Auffu?hrung kommen Autos an und fahren ab, einmal u?berto?nt ein Motor die Schauspielerinnen. Das Publikum ist jung, Studenten – Betroffene also. Man kennt sich.
Die Handlung ist dem Unialltag entnommen: Ina ist neu in der Stadt, neu an der Uni, Erstsemester Germanistik, idealistisch und blaua?ugig. Und sie ist &die Neue& in der WG. Marie studiert Jura und kennt sich aus, Leben heisst bei ihr Planung, also nimmt sie sich der desorientierten neuen Mitbewohnerin an und unterrichtet sie in der Kunst von Organisation und Optimierung. Ella ist die Dritte im Bunde. Sie studiert Schauspiel und steht kurz vor ihrem Abschluss, ausgelassen u?berspielt sie ihre zunehmende Verunsicherung. Eigentlich sind da noch Max, der Medizinstudent, und Ignazius von und zu Bo?sental, doch beide treten nicht in Erscheinung, sie bleiben Phantome, ersterer will dann doch nur mit Marie befreundet bleiben, erza?hlt die Unglu?ckliche, letzterer hingegen habe plagiiert und wu?rde nun exmatrikuliert, weiss Ella. Die Szenen sind durch kurze Einschu?be voneinander getrennt. Zwei anonyme Studentinnen, schwarzgekleidet, weissmaskiert, sonnenbebrillt, durchmessen den Raum wie Roboter. Sie verlesen mit monotoner Stimme ihren statistischen Wert, abstrakte Studienordnungen und grosse Worte grosser Geister. Mit Taschenlampen leuchten sie willku?rlich in die Gesichter der Zuschauer, als forderten sie sie heraus: &Euch betrifft es doch auch!&
Mit Witz und Selbstironie inszeniert das 7-ko?pfige Team die turbulenten Studienjahre. Leistungsdruck und Lebenslaufoptimierung, Sinn- und Orientierungslosigkeit, Kompromisse und Ru?ckschla?ge: All das scheint dem Publikum bekannt. So ist das Stu?ck vor allem Selbstbeobachtung. Wissend wird geschmunzelt und gelacht, wiedererkannt.
Dabei erscheint das Studium in allen drei Fa?llen als ein Missversta?ndnis. Was bei Marie und Ella nur erahnt werden kann – ihre Studienga?nge ko?nnten nahtlos, zwingend in einen passenden Beruf mu?nden –, wird bei Ina umso augenfa?lliger. Die Germanistik ist ein weites Feld, sie ero?ffnet Mo?glichkeiten und damit zugleich Verunsicherung. Vor der fru?hen Optimierung des eigenen Lebenslaufs ist indes auch sie nicht gefeit. Wie ihre Mitbewohnerinnen sucht sie sich einen Nebenjob, der das Studium aufwertend erga?nzt, also irgendwie mit Bu?chern zu tun hat: sie jobbt bald in der Unibibliothek und ihre Chefin ist die verhasste &Trulla&. So verkommt das Studium zum blossen Vorspiel, zur notwendigen Bedingung des spa?teren B es ist u?berhaupt nur in o?konomischen Kategorien wert- und sinnvoll, begrifflich fassbar, es ordnet sich ein in die witzlose Teleologie des pragmatischen Lebens. Ina, Marie und Ella sind die schillerschen &Brodgelehrten&, sie betreiben &Brodstudien&, Studium als Selbstzweck denken sie nicht. Alle drei erkennen, dass etwas schiefla?uft, doch was es ist, bleibt ihnen verborgen, kann nicht auf den Punkt gebracht werden. Und so bleibt der von Ella initiierte choreografierte Kollektivausbruch am Ende folgenlos. Er ist Moment und wird durch Resignation ersetzt. Was bleibt, sind die fragenden Gesichter der Figuren und des Publikums, das sogar noch seinen Einsatz verpasst und erst klatscht, als sich die Schauspielerinnen vor der Bu?hne aufreihen.
Gehen Sie u?ber Los
Regie: Aline Schluroff
Darstellerinnen: Lena Franke, Nadine Kelber, Aline Schluroff, Anna Sonntag und Paulin Wagner
6. Juni 2012, TheaterPACK-Sommerbu?hne im Westwerk
Katja Wallenhorst &Nichts anderes als Worte, Worte, Worte u?ber Bu?cher&
Das Politische Quartett von Schaubu?hne Lindenfels und Friedrich-Ebert-Stiftung – 3. Platz beim 7. Friedrich-Rochlitz-Preis fu?r Kunstkritik 2012
Das Lamentieren u?ber unsere unpolitische und desinteressierte Gesellschaft ist weit verbreitet. Mittlerweile hat sich jedes gro?ssere deutsche Feuilleton schon an der Ursachenforschung versucht, worauf der Ru?ckzug ins Private denn wohl gru?nde. Da wird dann immer auch mal an der Kommunikationskultur der Parteien und Politiker herumgema? es heisst, Politik ko?nne den modernen Menschen nicht mehr begeistern und zur Teilnahme bewegen. Das Bu?ro Leipzig der Friedrich Ebert Stiftung setzt genau an diesem Kritikpunkt an, wenn es durch ein neues Format politische Bildung spannender und o?ffentlichkeitswirksamer zu gestalten versucht, was, um es vorweg zu nehmen, gut gelingt. Die Idee besticht durch ihre Einfachheit, auf die man aber auch erst einmal kommen muss: Man nehme ein erprobtes Fernsehformat und lasse vier Menschen statt u?ber Romane u?ber politische Bu?cher diskutieren. Herausgekommen ist das &Politische Quartett&, eine Veranstaltung, in der neue gesellschaftspolitische Bu?cher innerhalb einer Diskussionsrunde vorgestellt werden. Zuvor schon in anderen Sta?dten von der Friedrich Ebert Stiftung langja?hrig veranstaltet, ist dieses Format seit einem Jahr auch in Leipzig angekommen.
Die Diskutant_innen sind nicht ganz so beru?hmt wie die des Fernsehvorbildes &Das literarische Quartett&, die Sitzgruppe auf dem Podium ist nicht ganz so komfortabel und die Bu?cher durch die Besprechung in dieser Runde sicher nicht auf dem Weg in die Bestsellerliste, doch das Anliegen bleibt gleich: Menschen auf lockere Art und Weise an – hier eben politische - Literatur heranzufu?hren. Das Publikum scheint sich angesprochen zu fu?hlen, denn die Kinositzreihen sind gut gefu?llt als das Quartett im Juni zum mittlerweile vierten Mal in der Schaubu?hne Lindenfels stattfindet. Dort ist es zwar nicht der Rote, sondern der &Gru?ne Salon&, in den die Friedrich Ebert Stiftung la?dt, doch tut das der Redefreudigkeit der Diskutierenden keinen Abbruch. Die Diskussion bleibt auch deshalb die ganze Zeit u?ber so lebendig, weil die angeku?ndigten Vertreter aus Politik, Wissenschaft, Medien und Kultur ihre ihnen zugedachten Rollen voll erfu?llen. Dirk Panter, der sich vom Investmentbanker zum Generalsekreta?r der SPD Sachsen entwickelt hat, argumentiert stets als politischer Praktiker und vergisst fast nie, sozialdemokratische Grundansichten in seiner Beurteilung der Texte zu platzieren. Die Politikwissenschaftlerin Rebecca Pates provoziert gern mit scharfsinnigen Thesen und beha?lt als Moderatorin der Runde gekonnt den U?berblick u?ber Redebeitra?ge und die Zeit. Vorgestellt werden vier Bu?cher in zwei Stunden – da mu?ssen so manche Kommentare auf den Punkt gebracht werden, und im Pointieren ist Pates grandios. Die Rolle des politischen Laien nimmt die Leipziger Autorin Kathrin Wildenberger ein. Sie beurteilt die Bu?cher nicht nur nach Stichhaltigkeit der Argumente, sondern auch nach Lesefluss und Schreibstil. Wenn Wildenberger dargelegt hat, warum ihr ein Buch gut gefallen habe, liefert Rebecca Pates die Analyse, warum der Text politische Relevanz besitzt. Und Dieter Wonka, der Hauptstadtkorrespondent der Leipziger Volkszeitung, la?sst das Publikum im Gespra?ch u?ber politische Inszenierungen auch mal an seinem journalistischen Insiderwissen teilhaben. Angela Merkel, so weiss er zu berichten, mo?ge ganz sicher keinen Fussball, ko?nne es sich aber aus wahltaktischen Gru?nden einfach nicht leisten, wichtige Spiele der deutschen Nationalmannschaft nicht mit begeisterter Miene zu verfolgen. Dass Diskussionen mit ihren Teilnehmer_innen stehen und fallen, ist eine Binsenweisheit, die sich aber immer wieder bewahrheitet. Die Besetzung des Politischen Quartetts ist geglu?ckt und so stimmig, dass ein kurzweiliger Gedankenaustausch zustande kommt. Dazu tra?gt auch die Auswahl der diskutierten Bu?cher bei. Vorgestellt werden Neuerscheinungen, die dem zeitungslesenden Publikum aus Rezensionen bekannt sein du?rften und insofern das Meinungsbild bestimmen. Tiefergehende politische oder soziologische Analysen stehen neben eher populistischen Werken wie einem Buch u?ber das wirkliche Leben von Deutschlands Milliona?ren.
Marcel Reich-Ranicki leitete die erste Sendung seines &Literarischen Quartetts& 1988 mit den Worten ein, man habe nicht anderes zu bieten als Worte, Worte, Worte u?ber Bu?cher und wenn‘s gutgeht, auch Gedanken – mehr ist in einer solchen Runde nicht zu leisten und muss auch gar nicht sein. Hier wie dort gilt: Wer’s genauer wissen will, muss selber lesen. Als erster Anstoss zum Nachlesen und Nachdenken ist das Politische Quartett auf jeden Fall eine ho?renswerte Darbietung. Angestrebt sind drei bis vier Veranstaltungen dieser Art im Jahr. Das Quartett quartalsweise wa?re unbedingt eine Bereicherung fu?r die Leipziger Diskussionslandschaft. Gern auch, wie das literarische Vorbild, 13 Jahre lang oder la?nger.
Das politische Quartett
Diskussionsveranstaltung von Schaubu?hne Lindenfels und Friedrich-Ebert-Stiftung
06. Juni 2012, Schaubu?hne Lindenfels
Anja Scharruhn &Hope and Glory&
Friedrich-Rochlitz-Preis für Kunstkritik 2011, Platz 1 für Anja Scharruhn – Mit seinem aktuellen Programm &The romantic violinist – a Celebration of Joseph Joachim& gastierte der 37-j?hrige Star-Geiger Daniel Hope im Gewandhaus
Es ist seltsam berührend, einem weltweit gefragten Solisten wie Daniel Hope in der nüchternen Atmosph?re eines Kammermusiksaals zu begegnen, fernab von Büchern, CD-Covern oder Videofilmen. Seriosit?t und Gelassenheit gehen von ihm aus, schon die ersten T?ne brechen das Eis. Sein Ton ist dunkel und imponierend sch?n. Kraftvoll zieht er den Bogen über die Saiten, schlafwandlerisch sicher intonieren seine Finger, vor allem im ersten Teil. Unwillkürlich h?lt man den Atem an und registriert das verstohlene Raunen des Publikums.
In Verbeugung vor dem ?sterreich-ungarischen Geigenvirtuosen Joseph Joachim (), eine der zentralen Künstlerfiguren des 19. Jahrhunderts, konzipierte Hope ein bemerkenswertes Programm, das ein Stück Leipziger Musikgeschichte heraufbeschw?rt: Als Wunderkind von Mendelssohn-Bartholdy in die Bürgerstadt geholt und umfassend gef?rdert, stieg Joachim binnen weniger Jahre zu einem der angesehensten Interpreten zeitgen?ssischer Musik in Europa auf. Zeitlebens pflegte er beidseitig inspirierende Freundschaften zu Johannes Brahms und dem Hause Schumann. Es sei für ihn wichtig Musik darzubieten, die ihm auch pers?nlich etwas bedeute, ?usserte Hope einmal. Parallelen im pers?nlichen Werdegang der zwei Geiger liessen sich leicht herstellen.
Drei Werke von Brahms bilden den Kern der kammermusikalischen Reise in die deutsche Romantik: Das Scherzo c-Moll aus der F.A.E.-Sonate, die berühmte Regenlied-Sonate in G-Dur sowie der Ungarische Tanz Nr. 5 g-Moll in einer Fassung Joachims.
Brahms klingt ein wenig anglophoner als sonst, aber erfrischend leidenschaftlich. Hope ist den kompakten Strukturen auch in gestalterischer Hinsicht gewachsen, weiss mit harmonischen Finessen, Lautst?rken und Farben umzugehen.
Süssliche Romanzen von Clara Schumann und dem Widmungstr?ger erg?nzen dieses Grundgerüst, sie verleihen dem sehnsuchtsvoll-düsteren Zeitempfinden Ausdruck. Hope überzeugt gerade in diesen einfacheren, formal entgrenzten Stücken mit seinen tonlichen Qualit?ten. Gleiches gilt für die eigens bearbeiteten Mendelssohn-Lieder ,,Auf Flügeln des Gesangs“ und ,,Hexenlied“, die leider trotz des unternommenen Versuchs nicht ohne Texte auskommen. Die c-Moll Sonate von Edvard Grieg bringt durch den nordischen Tonfall zwar ein bisschen Abwechslung, h?tte jedoch gern einem gewichtigeren Stück aus dem Konzertrepertoire Joachims weichen dürfen.
Wenngleich Violine und Klavier aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht immer harmonieren, so liegt der Reiz im Missverh?ltnis der Resonanzen, in der Unvereinbarkeit der Mittel und zugleich deren erfolgreichen ?berbrückung. Seit l?ngerem wird Hope von dem Pianisten Sebastian Knauer begleitet, der bei Gernot Kahl, Karl-Heinz K?mmerling und Philippe Entremont lernte. Doch bei aller technischer Versiertheit kann sein Spiel nicht immer an die Vorgaben des kongenialen Partners heranreichen. Tempo?nderungen werden nur verz?gert aufgenommen, die Artikulation f?llt gelegentlich zu unterschiedlich aus. Dennoch, die Faszination überwiegt an diesem Vormittag und bis zur Signierstunde hat man kleine Makel fast wieder vergessen.
Konzert im Rahmen der Mendelssohn-Festtage
4. September 2011, Gewandhaus, Mendelssohn-Saal
Ingo Rekatzky &Endlosschleifen im Wartesaal des Lebens&
Friedrich-Rochlitz-Preis für Kunstkritik 2011, Platz 2 für Ingo Rekatzky – Die Oper Leipzig zeigt zur Saisoner?ffnung Tschaikowskis &Eugen Onegin& in der Regie von Peter Konwitschny
Ein paar Wartende in einer tristen Halle. Wohl eher zuf?llig an diesen Ort geworfen vertreiben sie sich die Zeit, lesen Zeitung, stricken oder wagen einen letzten Tanz. Die Stille wird von einem Betrunkenen durchbrochen, der schreiend zu Boden f?llt, offensichtlich nicht zum ersten Mal. Eine Putzkolonne wischt routiniert um ihn herum, den ?brigen ist es kaum eine Notiz wert. Ziellos r?umen sie mit der einsetzenden Ouvertüre den Platz für die Nachfolgenden. Mit diesem Prolog verweist Peter Konwitschny bereits auf das Hauptanliegen seiner Inszenierung von Tschaikowskis Eugen Onegin, die am 9. September 2011 die neue Saison der Oper Leipzig er?ffnet hat: Ein verschiedene Gesellschaften überdauernder Kreislauf, in dem die Einzelnen immer wieder auf der Suche nach sich selbst sind – und letztendlich doch nicht ankommen.
In Tschaikowskis >>Lyrischen Szenen<<, die auf Puschkins mitunter zynisches Versepos Eugen Onegin zurückgehen, wird gerne das Klischee der gepflegten Melancholie russischer Seele bedient. Gediegene Salons vor weiten Birkenw?ldern sorgen bei aller Schwermut für eine anheimelnde Atmosph?re. Konwitschny und sein Ausstatter Johannes Leiacker begnügen sich allerdings keinesfalls mit diesen illusion?ren Genrebildern. Ein leerer, tiefer Raum, dessen Treppe in der Rückwand nicht von ungef?hr an die Hallen des Leipziger Bahnhofes erinnert, strahlt eine Eisesk?lte aus. Empire-Sessel markieren in diesem Wartesaal des Lebens ein System, das sich selbst l?ngst überdauert hat. Vom Chor der Landarbeiter wird ein geschlagener Birkenstamm hereingetragen und wie ein abgestorbener Maibaum aufgestellt – das Symbol der sich erneuernden Natur ist nur noch ein Stück Totholz, an dem die Protagonisten aber immer wieder Halt suchen. Da sind zum einen Tatjana und Olga, die T?chter der Gutsbesitzerin Larina. Obwohl dem Kindesalter kaum entwachsen, haben beide konkrete Vorstellungen von einem erfüllten Leben: Olga, die jüngere, konzentriert sich nur auf das Hier und Jetzt, wohingegen sich die introvertierte Tatjana ihre Ideale aus Büchern angelesen hat, die ihr Zufluchtsort sind. Larina und die Amme Filipjewna schwelgen stattdessen nur noch in der Vergangenheit, der Wodka scheint einiges in ihrer Erinnerung zurechtgerückt zu haben. Kein Wunder also, dass der Besuch des Dichters Lenskij, Olgas Verlobtem, eine willkommene Abwechslung ist, zumal er seinen Freund Eugen Onegin mitbringt. Der hat gerade eine Erbschaft angetreten, weiss hiermit allerdings nicht so recht etwas anzufangen. Trotzdem glaubt Tatjana, in Onegin den Mann ihrer Tr?ume zu erkennen. Die Inszenierung entfaltet im nachfolgenden Quartett einen Augenblick des Glücks, weist aber auch auf dessen Fragilit?t hin: Die gemeinsame Vertrautheit ist stets gef?hrdet, da die quirlige Olga und der eifersüchtige Lenskij keinen gemeinsamen Nenner finden, Onegin in seiner Ziellosigkeit verharrt und Tatjana ihre Wünsche nicht behaupten kann. So bemerkt sie auch nicht, dass ihre Idealvorstellungen der Realit?t nicht standhalten: Wie in Trance gesteht sie Onegin ihre Liebe in einem Brief, den sie postwendend zurückerh?lt. G?nnerhaft legt er nach durchzechter Nacht den Brief in eines ihrer Bücher und erkl?rt, dass er Tatjana zwar verehre, aber ihre Vorstellungen vom Leben zu verschieden sind.
Doch auch Onegin ist aller pers?nlichen Schw?chen zum Trotz nur Kind seiner eigenen Verh?ltnisse. Auf dem Ball zu Tatjanas Namenstag werden beide von den voyeuristischen G?sten blossgestellt. Mag ein überdimensionierter Lampion-Mond noch so gütig über dem Fest l?cheln, der S?nger Triquet spielt in seinem Couplet frivol mit dem Brief und gibt ihr Geheimnis der ?ffentlichkeit preis. Mehr aus Langeweile tanzt Onegin darauf mit Olga und provoziert so Lenskijs Forderung um Satisfaktion. Kurz vor dem Duell gew?hrt Konwitschny den beiden noch die Vers?hnung, ihre Umarmung wird aber j?h unterbrochen. Sie werden von den Chorherren eingekesselt, die sozialen Konventionen fordern Lenskijs Tod. Die sich unmittelbar anschliessende Polonaise, eigentlich Introduktion des dritten Aktes, wird hier zu einer Schlüsselszene von ?usserster Intensit?t: Verzweifelt ob seiner Tat tanzt Onegin mit dem Toten, die Leiche liegt ihm fortan auf dem Gewissen.
Zu sp?t reift die Erkenntnis, dass er nicht nur seinen einzigen Freund verloren hat. Nach Jahren ziellosen Reisens trifft er auf einem Ball Tatjana wieder – doch die ist inzwischen Fürstin Gremina und wird von ihrem Gatten, dem Kriegsveteranen Gremin, wie eine Jagdtroph?e in der Staatsratsloge pr?sentiert. In Onegin erwachen die Gefühle, die er sich damals nicht eingestehen wollte. Auch Tatjana liebt ihn nach wie vor, beiden bleibt aber nur ein verschwindender Moment des Glücks. Sie verf?llt wieder in jene Sozialrolle, die sie sich nach der Entt?uschung selbst auferlegt hat, und spielt sie mit Haltung. Onegin bleibt nichts, als sich nach ihrer Entsagung in die Masse der Gesichtslosen einzureihen, w?hrend Tatjana apathisch den Brief zerreisst.
Obwohl Konwitschnys Sicht des Eugen Onegin bereits 1995 ihre Premiere in Leipzig hatte und damals den Nerv der Nachwendezeit traf, ist sie keineswegs in die Jahre gekommen. Eher im Gegenteil: Handwerklich ist die ?usserst genaue Personenregie auch nach zahlreichen Umbesetzungen über jeden Zweifel erhaben. Die subtilen Bilder sind von einer Eindringlichkeit, der sich das Publikum nur schwer zu entziehen vermag. Und die Suche nach dem eigenen Platz in der Gesellschaft ist wohl brisanter denn je, selbst wenn der Dandy aus Tschaikowskis Zeiten heute eher dem so genannten akademischen Prekariat zuzurechnen w?re. Auf derartige Aktualisierungen ist die Inszenierung aber nicht angewiesen, sie überzeugt vielmehr durch ihre Reduzierung auf das Wesentliche: Das Beziehungsgeflecht der Protagonisten, die aus ihren tradierten Strukturen nicht ausbrechen k?nnen. M?gen sich auch die gesellschaftlichen Systeme ver?ndert haben, das Problem der Selbstverwirklichung bleibt virulent.
Sicher l?sst sich darüber streiten, ob die deutsch-russische Textfassung, in der Tschaikowskis Oper in Leipzig gespielt wird, trotz ihrer dramaturgischen Schlüssigkeit noch zeitgem?ss ist: Abgesehen davon, dass die ?bersetzung Artikulation und Phrasierung eher erschwert, wird in der Symbiose aus szenischem Spiel und Musik ohnehin viel mehr vermittelt. Und die bewegt sich für eine Repertoire-Vorstellung auf erstaunlichem Niveau, wofür auch Matthias Foremny Sorge tr?gt, der am Pult des bestens disponierten Gewandhausorchesters seinen Einstand als Erster st?ndiger Gastdirigent der Oper Leipzig gibt. Foremnys transparentes Dirigat besticht durch S?ngerfreundlichkeit, kostet aber Tschaikowskis Klangfarben aus und setzt vor allem in den T?nzen eigene Akzente. Als Idealbesetzung erweisen sich die Protagonisten: Pavol Remenár gestaltet die Titelpartie mit kultiviertem Bariton und verleiht dem Onegin eine noble Erscheinung, ohne Zwischent?ne wie seine Bindungsangst oder innere Zerrissenheit auszublenden. Allerdings unterstreicht die Inszenierung auch, dass ohnehin Tatjana mit ihrer Wandlung vom schw?rmerischen M?dchen zur abgekl?rten Fürstin die heimliche Hauptfigur ist, was Marika Sch?nberg facettenreich best?tigt. Ob dramatische H?he oder eher lyrische Mittellage, sie punktet in allen Registern und verfügt nicht nur stimmlich über die n?tigen Reserven für die anspruchsvolle Briefszene: Sch?nberg füllt von dem Steg vor dem Orchestergraben die fiebrige, bald fünfzehnminütige Arie auch schauspielerisch ohne falsches Pathos aus. Claudia Huckle setzt mit warmem Timbre einen Kontrapunkt als lebenslustiger Backfisch Olga, w?hrend Norman Reinhardt in der Arie vor dem Duell klangsch?n aufzeigt, dass auch Lenskijs Anspruch, seinem eigenen Selbst treu zu bleiben, nur eine Chim?re war. Unter den Nebenrollen treten vor allem Karin Goltz als pointierte Amme, Milcho Borovinov als sonorer Gremin und nicht zuletzt Viktor Sawaley hervor, der den windigen Triquet bereits bei der Premiere 1996 gesungen hat. Der Leipziger Opernchor pr?sentiert sich in der Einstudierung von Stefan Bilz gewohnt souver?n, übertrifft sich aber in seiner gewohnten Spielfreude noch einmal selbst.
Der immense Jubel im nicht gerade überm?ssig besetzten Saal zeigt, dass dieser Eugen Onegin das Publikum nach wie vor auf einer elementaren Ebene erreicht und Fragen aufgreift, die sich jeder schon einmal gestellt hat. Nicht abwarten, hingehen – weitere Vorstellungen sind in dieser Spielzeit am 18.9., 1.1., 13.1. und 15.4.
Eugen Onegin
von Peter I. Tschaikowski
Lyrische Szenen in drei Akten
Text vom Komponisten und Konstantin Stepanowitsch Schilowski nach Puschkin
Musikalische Leitung: Matthias Foremny
Inszenierung: Peter Konwitschny
Premiere: 9. September 2011
Sarah Schramm &Ein Stück Glückseligkeit&
Friedrich-Rochlitz-Preis für Kunstkritik 2011, Platz 3 für Sarah Schramm – Der Dokumentarfilm &Dem Himmel ganz nah& beschreibt in wehmütigen Bilden den Untergang der Hirtenkultur
Mit zittrigen Bewegungen versucht ein neugeborenes Lamm, sich zum ersten Mal aufzurichten. Bevor es f?llt, greift die Hand eines Mannes nach ihm, legt das ?ngstliche Lamm behutsam zu seiner Mutter. Dort saugt es zaghaft jene Kraft in seinen kleinen K?rper, die es zum Leben brauchen wird. Erneut versucht das Neugeborene, auf die Beine zu kommen – und bleibt stehen. Ein Moment des Glücks, ein kleines Naturwunder, eine Momentaufnahme im Dasein der transsilvanischen Hirten in den Karpaten.
Gemeinsam leben dort Mensch und Tier im Einklang mit den unendlichen Weiten der unberührten Natur. Sie bilden einen grossen Organismus, dessen Teile einander bedürfen und beeinflussen. Es sind Szenen einer beruhigenden Idylle, eines ursprünglichen Zusammenhaltes – Bilder, die uns Welten entfernt scheinen.
Titus Faschinas Dokumentarfilm Dem Himmel ganz nah l?st den Zuschauer aus dem Alltag und entführt ihn in einen v?llig anderen, fernab des Bilderstroms der Reizüberflutungsgesellschaft. Eine ruhige Kamera (Bernd Fischer) erz?hlt eine schwarzweisse Geschichte des alten Europas und bewahrt sie somit vor dem Verblassen. Eine Geschichte, von Menschen zwischen Tradition und Zukunfts?ngsten – die der Familie Stanciu.
Dumitru, Maria und ihr Sohn Radu Stanciu sind eine der wenigen verbliebenen transsilvanischen Hirtenfamilien. Sie leben in der Wildnis der Karpaten, geniessen die Freiheit und sind doch einsam. Mit Dorf und Kirche treten sie nur selten in Kontakt. Ihr Dasein ist ihren Schafen gewidmet – ihrem t?glich Brot, ohne das sie im unaufhaltsam voranschreitenden Kosmos unserer Zeit untergingen.
Im Kontrast zur Beschleunigung des Lebens stehen weite, menschenleere Bilder der endlosen Karpaten: erhabene Hügel und T?ler, unberührte Wiesen und steinalte B?ume – all das, wonach sich mancher Grossst?dter sehnt. Der Wechsel von totalen Naturaufnahmen und nahen Einstellungen t?tiger Individuen verdeutlicht Einklang, suggeriert eine heile Welt. Doch der Schein trügt. Auch oder gerade dort k?mpft man ums ?berleben. In einem Teil der Europ?ischen Union geht, fern von Anti-Atomkraft-Debatten, Euro-Rettungsschirmen und Smartphones einer der ?ltesten Berufe der Menschheit unter. Unausl?schlich aber ist die Hirtenkultur nicht. Sie hinterl?sst Spuren. ?berbleibsel, denen der Film nachgeht – sie weitertr?gt.
Familie Stanciu tritt in die Fussstapfen ihrer Vorfahren. Im Zyklus der Natur ist sie vom Wetter abh?ngig. Aufschub gibt es nicht – sonst bleibt der Teller leer. Faschinas Film dokumentiert ein Jahr des Hirtenalltags dieser Familie, l?sst uns eintauchen in die Bilder eines anderen, fast himmlischen Ortes.
Im Sommer gibt es reichlich zu tun. Dumitru Stanciu hütet die Schafe, schert und melkt sie. Seine Frau verarbeitet das Material, stellt K?se her. Vater und Sohn sensen das Gras der weiten Wiesen, denn es wird im Winter als Futter ben?tigt. Dabei herrscht eine meditative Stille. Nichts als das Ger?usch des Sensens ist zu vernehmen. Es sind die Kl?nge und Impressionen der Natur, die diese ganz besondere Stimmung des Films ausmachen. Bild und Ton kreieren etwas Ursprüngliches, sind besonders, gerade weil sie so dezent sind. Ein einsamer, kahler Baum, das Dach der Stanciuschen Hütte, davor ein in Dunkelheit gehüllter Hügel: Gem?chlich hebt sich die Sonne hervor, breitet ihre Strahlen über das Bild aus und hüllt die Szenerie in ihr warmes Licht. Ein unglaublicher Filmmoment, ein verg?nglicher, der schlichtweg glücklich macht. Um dieses Glück Tag für Tag erleben zu k?nnen, arbeiten die Stancius hart. Mit dem Einbruch des Herbstes zerf?llt allm?hlich das L man bereitet sich auf den Winter vor. Es regnet, das Wetter l?dt zum sitzen vor dem Feuer. Raum zur Rast aber bleibt nicht – die Zeit l?sst sich nicht aufhalten.
Die Kamera dokumentiert das V die Prozesse, Kreisl?ufe, grosse und kleine Ver?nderungen im Leben der Hirtenfamilie. Seien es die K?seherstellung vom Melken der Schafe bis zum fertigen Produkt oder die Geburt eines Lammes mit dem Blick auf den Tod eines anderen. ?ber alldem steht die Frage danach, wie lange diese Zyklen noch andauern werden: Wie lange wird der Hirtenbetrieb die Stancius noch n?hren k?nnen? Wie wird es für Radu nach dem Tod der Eltern weitergehen? Bald wird alles wieder spriessen, L?mmer werden geboren, der Acker umgegraben. Aber was geschieht im n?chsten Jahr und im darauf folgenden? Ver?nderung und Beschleunigung – die Moderne h?lt Einzug in die Karpaten. So erz?hlt Dumitru Stanciu davon, wie nach und nach alle Hirtenfamilien der Umgebung ihre T?tigkeit aufgaben, ins Tal zogen, um eine neue Existenz zu gründen. Wird auch er aufgeben müssen? Wer weiss schon, was die Zukunft bringt!
Dem Himmel ganz nah l?sst uns zumindest für 90 Minuten nicht darüber nachdenken, was unsere Zukunft bringen wird oder was wir noch alles erledigen müssen. Der Film nimmt Geschwindigkeit und schafft dabei etwas Zeitloses, vielleicht einen Sehnsuchtsort. Als der Abspann l?uft, h?tte man Grund, glücklich und traurig zugleich zu sein. Glücklich darüber, dass es solche v?llig anderen O traurig aber, dass sie allm?hlich zerst?rt werden. Ich jedenfalls verlasse den Kinosaal ruhig und in mich gekehrt – bin mit dem Kopf in den Karpaten und den Füssen in der Leipziger Innenstadt.
Dem Himmel ganz nah
Deutschland/Rum?nien 2010
Regie: Titus Faschina
mit: Dumitru, Maria und Radu Stanciu
Maja Spee &Nichts für Vegetarier&
Claudia Bauer inszeniert Brechts &Die heilige Johanna der Schlachth?fe& am Mecklenburgischen Staatstheater Schwerin – der Gewinnertext des Friedrich-Rochlitz-Preises für Kunstkritik 2010 (1. Platz)
Fleischfressend, massenproduktiv, kapitalistisch. Die Gesellschaft kommt bei Bertolt Brecht wahrlich nicht gut weg. Die Gesellschaft, die er w?hrend der Weltwirtschaftskrise um 1930 mit &Die Heilige Johanna der Schlachth?fe& theatertauglich machen wollte. Und wahrlich die Gesellschaft, die es auch heute noch gibt. Regisseurin Claudia Bauer zeigt mit ihrer gleichnamigen Inszenierung am Staatstheater Schwerin, wie hochaktuell, wie brandneu doch Brechts Kritik an den bestehenden wirtschaftlichen Verh?ltnissen im Jahre 2010 eigentlich ist. Finanzkrisenzeit ist Brecht-Zeit, so die Lage in Schwerin.
Wie ein heiliger Engel in blond gelocktem Haar macht sich Brit Claudia Dehler als die ,,heilige Johanna“ auf die Suche nach der Rettung der Armen, nach einer Erl?sung der Arbeiter aus ihrem Elend. &Ist's doch die Arbeit, die ihr alle braucht!& t?nt Pierpont Mauler, Fleischk?nig von Chicago und damit marktwirtschaftlicher B?sewicht des Stückes. Ist's nicht auch eben dieses Brauchen, jene Notdurft zum feindlichen System dazu zu geh?ren, welche die arbeitende Klasse zu moralisch schlechten Menschen macht? Das jedenfalls ist es, was Johanna Dark zu beweisen gewillt ist. Nicht der Mensch ist schlecht, die gesellschaftlichen Verh?ltnisse zwingen ihn dazu. Als Leutnant der &Schwarzen Strohhüte&, Brechts Parodie auf die Heilsarmee, macht sich Johanna auf den Weg gegen Ausbeutung und Unterdrückung. Nicht zuf?llig klingt ihr Name nach der historischen Jeanne d'Arc. Aber ein Strohhut will von religi?ser Illusion nichts wissen. So diskutiert die Inszenierung nicht etwa die Existenz Gottes, vielmehr macht sie deutlich, wie der religi?se Mensch in Zeiten der Krise handelt: nicht nachhaltig. Regisseurin Bauer baut hier und da einen kleinen Witz auf Gott und seinen Willen ein. Im Stück spielt dieser eine zentrale Rolle. Es ruft aus allen Ecken: &Gott kann es bezeugen&, zun?chst egal was, es folgt ein Blick an die Decke zur Theatertechnik – kein Gott, es folgt der leere Blick in den Saal, da sitzen wir, der Zuschauer – auch kein Gott. So bleiben sie stehen, die Ironie von Claudia Bauer und Brechts fast vergessenes episches Theater. Wir werden zum angeguckten Zuschauer und sind gen?tigt, mit der Gesellschaftskritik umzugehen. Es ist eine Kritik für jeden im Saal.
Der religi?se und der kapitalistische Mensch werden mit Fortschreiten des Stückes immer mehr gleich geschaltet. Der Glaube an den Fleischmarkt wird zum Glauben an das Schicksal. Marktherrscher heisst in diesem Fall Mauler und ist in Schwerin eine Frau: Bettina Schneider betritt streng das R rollend den Saal, über ihr eine Projektion von Comic-Schweinen, die sich den Schinken gleich selbst vom Hintern schneiden. Hinter ihr ein uniformer Chor aus stummen Kühen. Mit grossem treuen Aug' bittet Johanna nun Mauler um Hilfe für die Armen. Dieser will ihr das Gegenteil ihrer ?berzeugung weismachen: die Arbeiter allein seien an ihrem Elend und somit an ihrem Fehlverhalten schuld. Eine Irrfahrt zwischen B?rsencrash und Viehhandel, zwischen Hoffnung und Kampf, beginnt.
Die zunehmend skurrile Bühnenausstattung aus Masken, Perücken und roten Fahnen, die immer lauter und schriller werdende Musik, gleich den überzogenen Lobges?ngen, die das Fass des Pathos zum ?berlaufen bringen, holen den Schweriner Zuschauer nicht gar ab und schicken ihn befriedigt in sein Wohnzimmer zurück. Betont expressiv gelingt es Bauer, mit ihrer Inszenierung eine Brechtsche Vorstellung von Theater zu streifen und das Publikum auf sich selbst kritisch aufmerksam zu machen. Von leichter Kost kann nicht die Rede sein. Ein wenig dankbar ist man schon, wenn die eben gekreuzigte Johanna von der Bühne f?hrt, wenn das ,,Tanztheater Lysistrate“ sein Rudeltreiben aus Rindern, Uniformierten oder Talibankühen beendet hat, wenn Markus Wünsch als rothaarige Witwe zu jammern aufgibt – wenn das Mikro ausgeschaltet ist und zum ersten Mal nach 2,5 Stunden Stille herrscht.
Ernst und Unernst vermischen sich. Es bleiben Aufatmen und Nachdenken über ein Schwein und ein paar bl?de Kühe. Das Steak danach dürfte gelaufen sein.
Die heilige Johanna der Schlachth?fe
von Bertolt Brecht
Inszenierung: Claudia Bauer
Ausstattung: Patricia Talacko / Bernd Schneider
Musik: Smoking Joe
Premiere: 21. Mai 2010, Mecklenburgisches Staatstheater Schwerin, Grosses Haus
Maria Aresin &Neo[N]&
Die Ausstellung &Neo Rauch – Begleiter& im Museum der bildenden Künste Leipzig – der Gewinnertext des Friedrich-Rochlitz-Preises für Kunstkritik 2010 (2. Platz)
Verwirrend, merkwürdig, unfassbar – das sind Beschreibungen, die von allen Seiten murmelnd an das Ohr des Besuchers dr?ngen, wenn er derzeit die Ausstellung &Neo Rauch – Begleiter& im Leipziger Museum der bildenden Künste betritt. Pr?sentiert werden rund fünfzig Werke der letzten zwei Jahrzehnte seines Schaffens. Die meisten von ihnen geben sich beachtlich grossformatig, wobei eine Entwicklung in Rauchs Schaffen im Wesentlichen weg vom Abstrakten hin zum typisch Figürlichen der Malweise der so genannten Leipziger Schule erfolgt ist. Die Mitarbeit des Künstlers selbst an der Ausstellung ist nicht zu übersehen, handelt es sich hierbei doch um die Retrospektive eines noch lebenden Virtuosen der Malerei.
Die Gem?lde sind auf die für Rauch typische Weise einer r?tselhaften Traumwelt entlehnt, in der b?rtige Gurus Kristalldrusen darbietend in der Lage sind, die Welt zu ver?ndern, riesenhafte Babys wie Heliumluftballons zum Bildrand aufsteigen und sumpfige Landschaften sich mit monstr?sen Zahnpastahügeln abwechseln. Diese mysteri?sen Szenarien wirken durch die klare Fl?chenaufteilung und den deckenden Farbauftrag umso unverst?ndlicher auf den Betrachter, welcher sich wie vor dem R?tsel der Sphinx gen?tigt fühlt eine L?sung für dieses wohl sortierte Chaos zu finden. Auch die Titel der Werke, wie &Mittag& oder &H?he&, die oft in Sprechblasen in das Geschehen platzen, geben wenig Aufschluss über die eigentliche Bedeutung der Szenen. Mit diesen immer wiederkehrenden comichaften Einflüssen scheint Rauch die Ernsthaftigkeit seiner Bilder selbst auf naive Weise zu hinterfragen. Oftmals dominiert der Eindruck einer eindeutig politischen oder gar ideologischen Kulisse, wenn etwa matronenhafte Frauen in sozialistisch anmutender Arbeiterkleidung durch das Bild marschieren oder eine Gruppe Uniformierter Fahnen schwenkend durch Trümmerberge watet. Es klingen jedoch auch traditionell christliche und heilige Motive an. Daher wachen beispielsweise vertr?umte Engelswesen über eine Modelleisenbahnstadt, eine M?rtyrergestalt wankt ?hnlich wie Christus das Kreuz tragend in die Szene oder ein Priester einer noch nicht gegründeten Glaubensgemeinschaft schwenkt eine überdimensionale Opiumlampe über die Bühne. Verst?rkt wird dieses Gefühl, Zuschauer eines v?llig verrückten Tatherganges zu sein, nur noch durch die einzigartig expressive Farbigkeit. Rauch bedient sich der unterschiedlichsten Farbnuancen von dunklem violett bis beissend neongelb. Durch diese kr?ftigen T?ne bewirkt er immer wieder ein Aufeinanderprallen der Extreme: helle und dunkle, warme und kalte Fl?chen werden miteinander kombiniert und ergeben so durch den komplement?ren Kontrast eine surrealistische Stimmung, welche zugleich durch die realistischen Formen und Figuren gebrochen wird.
Es kommt zu einer Kollision der Radikale – einer Art Supernova im Auge des Betrachters. Diese einzigartigen Stimmungen, für die Rauch mittlerweile weltbekannt ist und die seinen Stil ausmachen, wirken auf den Besucher sowohl abnorm und abschreckend als auch auf skurrile Weise anziehend. Es grenzt an eine massenwirksame ?sthetik des Ekels, wenn die Menschen in Scharen wie die Motten in das Licht in die Leipziger Ausstellung flattern. Obwohl die Schau für die Kuratoren thematisch keine grosse Herausforderung darstellt, ist sie es doch wenigstens im logistischen Sinne. Zwar ist das Museum der Bildenden Künste zweifellos das Staatliche Museum mit der gr?ssten eigenen Sammlung von Rauch Werken, die meisten Gem?lde des Leipzigers befinden sich jedoch auf Grund ihrer Beliebtheit und ihres derzeitigen Marktwertes in Privatbesitz. Die Schau ist zudem eine Kooperation mit der Pinakothek der Moderne in München, welche nochmals etwa siebzig Bilder zeigt.
Der Besucher bekommt hier die einzigartige Chance den Künstler durch die letzten Jahrzehnte seines Schaffens zu begleiten und dabei einen kurzen Blick hinter die Kulissen der nebul?sen Traum- und Parallelwelten seines OEuvres zu werfen. Die Frage was Neo Rauchs Welt im Innersten zusammenh?lt, bleibt so zwar vielleicht für immer ungekl?rt, aber was w?re er auch für ein Zauberer, wenn er das Geheimnis seines besten Tricks verraten würde? Eins steht jedoch fest: Wo Rauch ist, da ist auch Feuer!
Neo Rauch – Begleiter
Ausstellung
18. April bis 15. August 2010, Museum der bildenden Künste Leipzig
Amelie Bader &Fotografien auf Augenh?he&
Das Tipi im Westwerk zeigt Arbeiten der Leipziger Fotografen Karin Wieckhorst und Christoph Lehmann – der Gewinnertext des Friedrich-Rochlitz-Preises für Kunstkritik 2010 (3. Platz)
Ein Raum, im Westen Leipzigs, getauft auf den Namen Tipi, abgeleitet vom Lakota-Wort thi was so viel bedeutet wie etwa wohnen, leben, verweilen, versammelte unter seiner mit weissen Tüchern verhangenen Decke eine Vielzahl von Gesichtern und Geschichten, die von ihrer, uns fremden Lebensweise berichten. Bilder genau auf Augenh?he, eng aneinandergereiht h?ngen sie, einem Filmstreifen ?hnelnd an den drei W?nden, führen den Blick von einer Szene zur n?chsten, erz?hlen ,,Aus dem Leben der Roma“ in Skopje. Farbig steht uns eine Lebenswelt gegenüber, die ansonsten nur zu gern in den Schattenbereich der Gesellschaft verdr?ngt wird. Ein alter Mann mit grauem Bart, erblindet, steht unter einem Büschel zum Trocknen aufgeh?ngten feuerroten Paprikaschoten, ein kleiner Junge sitzt auf einem Pferd, umarmt vorgelehnt dessen Hals, in einer Einfahrt kommt ein Mann mit Hawaiishorts und stark tatauierten Oberk?rper auf uns zu, im Hintergrund ist ein grau l?ngliches Auto mit sechs Vorderlichtern und ein am Hauseingang lehnender Jugendlicher, der uns zul?chelt, zu sehen. Es sind Momentaufnahmen, eingefangen von Christoph Lehmann, die weder eine künstliche Distanz erzeugen noch mit tragischer Ernsthaftigkeit die Armut akzentuieren, sondern vielmehr den Betrachter durch einen streifenden Blickkontakt in das Geschehen mit einbeziehen. Man geht vorbei an zwei schmalen Rundbogenfenstern. Durch die kleinen Glasfl?chen zwischen den eng gesetzten Sprossen sieht man auf das verregnete leer stehende Fabrikgeb?ude, Flachd?cher, schmale Kamine, zwischendurch ein dünnes grünes B?umchen. Dann rückt die n?chste Bildreihe von Karin Wieckhorst ,,FREMDE. Asyl in Sachsen“ in das Sichtfeld. Zwei Frauen stehen lange vor }

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